Automobilbranche – HANSE Interim recherchiert – Auftrieb oder Krise?

Die Situation

Die Coronakrise. Steigende Sättigungstendenzen der Märkte in Europa und den USA. Der Handelskrieg zwischen den USA und China, mit der Konsequenz sinkender chinesischer Kaufkraft und ein dementsprechender Rückgang des chinesischen Automobilmarktes. Hohe Investitionen in Zukunftstechnologien. Gleichzeitig sind Südamerika und Asien Wachstumstreiber. Was bedeuten all diese Einflussfaktoren für die Entwicklung der Automobilbranche?

Bereits vor der Coronakrise betrug der globale Rückgang des Pkw-Absatzes 2019 im Vergleich zum Vorjahr ca. 4 %. Auch die Pkw-Produktion selbst ist im Jahr 2019 mit -5,8 % spürbar gesunken. Zwar gab es ab November 2019 eine leichte Nachfragebelebung, jedoch konnte diese den Umsatzrückgang nicht vollständig ausgleichen.

Die Coronakrise hat die Automobilwirtschaft nun zusätzlich stark getroffen. Die meisten Autobauer haben ihre Produktion massiv heruntergefahren oder hatten sie vorübergehend sogar vollständig eingestellt. Vor dem Hintergrund des aktuellen Abschwungs der Weltwirtschaft, rechnen Branchenexperten für das laufende Jahr mit einem Absatzrückgang zwischen 16 und 22%.

Dass sich die Automobilbranche in einer schweren Krise befindet, war jedoch auch schon vor Corona offensichtlich. Insbesondere der wichtige chinesische Markt ist bereits seit 2018 rückläufig und ist auch in 2019 um circa 10 % eingebrochen. Trotz dessen gab es auch einen Grund zur Hoffnung: Mitte Dezember 2019 hatten sich die USA und China im Handelskrieg auf den ersten Teil eines neuen Handelsabkommens geeinigt, welches auch die Senkung einiger Zölle von beiden Seiten beinhaltete und angedrohte zusätzliche Strafzölle, unter anderem auf Autos, aussetzen sollte. Weiter zu beobachten bleibt jedoch das Verhältnis zwischen der EU und den USA, Strafzölle auf Pkws seitens der USA bleiben ein Damokles-Schwert. Welche Auswirkungen die Corona-Pandemie nun auf das Verhältnis zwischen den beiden Parteien haben wird, kann noch nicht abgesehen werden.

Kann sich die Automobilbranche von dieser Krise erholen?

Ein wichtiger, langfristiger Trend der Branche lässt nunmehr einen positiven Impuls erwarten: „E-Mobility“. Durch das weltweit gestiegene Umweltbewusstsein und die damit einhergehenden politischen Maßnahmen gibt es einen Ruck in der Automobilindustrie. Mittels Elektrofahrzeugen soll eine intelligentere und umweltfreundlichere Verkehrsführung erreicht werden. Die Anpassung an die Elektromobilität durch neue Technologien im Autobau führt in dem Wirtschaftszweig aktuell zu einem hohen Investitionsdruck. Die Tatsache, dass durch das Konjunkturprogramm der Bundesregierung ausschließlich der Kauf von Elektrofahrzeugen noch stärker subventioniert wird als dies ohnehin schon der Fall war, wird die Nachfrage mit Sicherheit noch einmal zusätzlich erhöhen.

So soll nicht nur der chinesische Markt ab 2021, getrieben durch den Verkauf von Elektrofahrzeugen, wieder wachsen; auch global betrachtet steht dem Markt eine vielversprechende Zukunft bevor. Vor allem Lateinamerika gilt als attraktive Region für die positive Entwicklung der Automobilbranche, vorangetrieben vor allem durch die Länder Brasilien, Chile und Mexiko. Durch ein niedrigeres Zinsniveau und steigende Beschäftigungszahlen erholte sich Brasiliens Wirtschaft vor Corona allmählich. Auch Chile konnte vor Corona mit einer guten wirtschaftlichen Lage und einem starken Peso, einen Absatzanstieg mit starken Wachstumsraten verzeichnen. Das gleiche gilt für Mexiko: Mit seiner Nähe zum nach wie vor wichtigen US-amerikanischen Markt, gewinnt das Land seit Jahren an Bedeutung für die globale Automobilindustrie. So haben mittlerweile fast alle deutschen Automobilhersteller Produktionswerke in Mexiko eröffnet.

Die Schlussfolgerung:

Auch wenn die Coronakrise die Herausforderungen der Branche aktuell verstärkt, beschleunigt sie trotz allem den Wandel. Mittel- bis langfristig soll die Automotivebranche durch die Umsetzung neuer Technologien und Mobilitätskonzepte wachsen. Aber auch Bevölkerungs-, Wirtschafts- und Wohlstandswachstum in den Emerging Markets sowie (steuer-)politische Anreize sowie erhöhte Kaufprämien für Elektroautos werden kurz- bis mittelfristig wieder für Wachstum in der Branche sorgen. Verhaltener bleiben die Aussichten für die entwickelten Märkte in den USA und Westeuropa. Die aktuelle Entwicklung der Automobilbranche ist deshalb vermutlich nur eine Verschiebung des Auftriebs.

Wir freuen uns auf Ihre Diskussionsbeiträge!

Wann lesen wir uns wieder?

In unserem nächsten Blogbeitrag am

Donnerstag, den 23.07.2020

geben wir Ihnen Einblicke in ein spannendes HANSE Interim Praxisbeispiel aus der Automobilbranche. Schauen Sie doch vorbei – wir freuen uns auf einen Austausch mit Ihnen!

Ihr HANSE Interim-Team
Andreas Lau und Christian Heuermann
Geschäftsführung

Quellen: HMC Researchabteilung, DAT, IHS, Roland Berger, GTAIDeutsche Bank Research

5 Kommentare zu „Automobilbranche – HANSE Interim recherchiert – Auftrieb oder Krise?“

  1. für mich ist nicht ganz verständlich, warum man davon ausgeht, das der Markt für Elektrofahrzeuge in China steigen wird? China zieht sich, aufgrund der Rohstoffsituation usw., aus dem Elektrobusiness langsam wieder zurück.

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  2. Ich teile nicht alle Inhalte Ihrer Schlussfolgerung, insbesondere zum Wachstum der Branche, hier dazu einige Thesen:

    Der Anteil der E-Mobilität wird stark ansteigen, in Verbindung mit Car-Sharing und dem autonomen Auto führt dies zu sinkenden Fahrzeugzahlen in Ballungsbieten, Studien gehen langfristig von – 90% aus. Die Wechselrate des Fahrzeugbestandes liegt derzeit bei 5%, durch regulatorische Änderungen, Kaufanreize und den Druck der Öffentlichkeit wird diese Rate steigen.

    China ist derzeit größter Markt für E-Autos (und Busse), sechs von zehn E-Auto OEM’s sind dort ansässig (BYD, SAIC, FAW, Geely, BAIC, Dongfeng). Die Chinesen unternehmen große Anstrengungen den Batteriemarkt (analog zum PV-Markt) zu beherrschen.

    Sofern sich in deutschen Ballungsräumen die selbstfahrenden, elektrischen Autos, die nicht mehr individuellen Personen gehören, durchsetzen spielt die Marke keine Rolle mehr. Dies ist eine ernsthafte Bedrohung für die deutschen OEM’s und eine Chance für die Chinesen.

    Die großen OEM‘s werden in näherer Zukunft gezwungen sein ihre Wertschöpfungskette und ihr Portfolio fundamental zu ändern, die kleinen Zulieferer (Tier2, Tier3) sind das letzte Glied in der Kette. Zulieferer müssen sich so schnell wie möglich unter hohem Kostenaufwand mit neuen Technologien zu beschäftigen, sonst stehen sie in 5 bis 10 Jahren vor dem Nichts. Nur 40% der Unternehmen sind sehr gut bis gut vorbereitet. 2/3 der der Technik im Fahrzeug stammt bisher von Zulieferern, vier von fünf Zulieferern müssen in den nächsten Jahren mit Markteinbrüchen von mehr als 30% rechnen. Viele, aber nicht alle Unternehmen haben in den letzten Jahren bilanziell vorgesorgt, wir hatten bereits 2019 eine große Anzahl an sog. ‚Zombie‘-Unternehmen. Corona wird diese Entwicklung beschleunigen.

    Die Anzahl der Werkstätten wird sich um ca. 2/3 verringern, da der Ersatzteil- und Servicebedarf aufgrund der stark verringerten beweglichen Teile im Auto (42 größere Bauteile und Module im E-Auto entfallen vollständig: z.B. das Getriebe; 200 Teile im E-Motor vs. 1.400 im Verbrenner). Da die Autohersteller derzeit 80% ihres EBIT über E-Teile und Services erwirtschaften steigt der Preisdruck auf die Zulieferer weiter an.

    Big Data: die Erfassung, Analyse und Übermittlung der während der Fahrt gewonnen Daten kann für die Autohersteller zu einer zusätzlichen Einnahmequelle werden, im Hintergrund lauern aber auf Big Data spezialisierte Unternehmen und die großen Internet-Konzerne.

    Kampf um Patente: im Zusammenhang mit dem autonomen Fahren wurden zwischen 2012 und 2016 fast 1.200 Patente registriert, an erster Stelle Audi (223), an zweiter Stelle Google (221)! Auf den weiteren Plätzen BMW, Daimler, GM, VW, Apple, Facebook, Microsoft, Amazon und Uber.

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  3. Sehr geehrte Verfasser und Leser,

    natürlich wird sich die Automobilindustrie neu ausrichten müssen und einen Weg hin zu einer neuen Normalität finden, in der die Elektromobilität sehr wahrscheinlich eine zunehmend wichtige Rolle spielt.
    Dass dies allerdings einher geht mit der Wiederbelebung des kompletten Zuliefermarktes, halte ich für eine Illusion. Durch die Zunahme des Anteils an E-Fahrzeugen fallen viele mechanische Komponenten weg, deren Herstellung die Existenz vieler Zulieferer und natürlich auch Hunderttausender Arbeitsplätze gesichert hat.

    Da die E-Mobilität über einen überschaubaren Zeitraum nicht vollkommen die Verbrennungsmotoren ersetzen wird und wir parallel Tendenzen in Richtung Wasserstoff sehen, wird der Zuliefermarkt stark zusammenschrumpfen, aber nicht sterben. Nur wer sich auf Seiten der Zulieferer jetzt konsequent auf den aktuellen Stand der Erkenntnisse hinsichtlich Technik, aber auch Prozesse und Organisation ausrichtet, wird hier in der Zukunft noch Geld verdienen können.
    Das scheint leider noch nicht bei allen Maschinenbauern angekommen zu sein. Alle blicken in Richtung allgemein positive Signale aus dem Automotive – Bereich und hoffen, dass das new normal sich nur wenig vom gestrigen unterscheiden wird.
    Ein knallharter Kampf um die besten Preise sollte schon längst ausgebrochen sein, mit denen man trotz Kostenreduktion auch künftig überlebensfähig produzieren kann – stattdessen: nach wie vor Ruhe auf dem Interim – Markt, was die operativen Prozesse betrifft.
    Man schrumpft die Belegschaft mittels HR-Interim-Managern in Relation zum gesunkenen Umsatz zusammen und hält dies für die richtige Lösung, statt die Aufgabe ernst zu nehmen und tatsächlich alle Potenziale zu heben, die zB. durch veränderte Abläufe, geringere Qualitätskosten, eine perfektere Auslastung der Produktion durch verbesserte Arbeitsplanung, Senkung der Fertigungstiefe und darüber hinaus eine angepasste Struktur etc. möglich wären.
    Weiß denn ein HR-Interim Manager, was heutzutage in einer komplexen Produktion inclusive. aller interagierenden Schnittstellen wirklich für Potenziale brach liegen?
    Der Boom wird kommen – für viele Unternehmen, die sich auf halbherzige Maßnahmen fokussieren, wird es dann aber zu spät sein.

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  4. Ich war sehr viel bei Automotive Zulieferern als
    Interim Manager und für die Prozessoptimierung im Bereich SCM tätig.
    Seit Corona sind da die Umsätze zum Teil über 50% eingebrochen, da bleibt wenig Raum für neue Projekte.
    Diese sind aber nur aufgeschoben und nicht aufgehoben.
    Der Stau wird sich nach Corona sicher bemerkbar machen,
    meine Einschätzung!

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  5. Als denkbare, mittelfristige Alternative zu den Verbrennermotoren Otto und Diesel kommt aktuell nur das Hybrid-Fahrzeug, das mit Wasserstoff-Elektro betrieben wird, in Frage. Ein Auto basierend nur auf elektrischem Antrieb ist nicht Massen tauglich (zu lange Ladezeiten, zu schwer, zu teuer, zu geringe Reichweite, zu Umwelt schädlich)
    Da ist es zwingend erforderlich, dass Deutschland DER Schrittmacher / Benchmarker für die neue Techniologie wird, der es bei den Verbrennermotoren war.
    Die Corona-Kriese ist lediglich eine kleine „Bodenwelle“ im Prozess der Umwandlung der Antriebesarten des Automobils.

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