HANSE Interim Research-Team: Bringen die Auswirkungen der Corona-Pandemie und gestiegene Zinsen das Hoch des Baugewerbes zum Einstürzen?
Das Baugewerbe in Deutschland konnte vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie auf erfolgreiche fünf Jahre zurückblicken. Der seit März 2016 auf einem historischen Tief verharrende Leitzins der Europäischen Zentralbank und eine bis zum Frühjahr 2020 insgesamt robuste Binnenkonjunktur, die mit sinkenden Arbeitslosenzahlen und steigenden Haushaltseinkommen einherging, stützten den seit Beginn des vergangenen Jahrzehnts anhaltenden Bauboom im Inland und sorgten in den meisten Bereichen des Baugewerbes für eine hohe Nachfrage.

Laut Angaben des Marktforschungsunternehmens IBISWorld zufolge soll der Bausektor dann in den Folgejahren 2021 und 2022 erstmals wieder rückläufige Umsätze erzielt haben.
Hintergrund dieser Entwicklung sind die mit einer gewissen Verzögerung auf die Bauwirtschaft übergreifenden negativen Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie.
So kam es insbesondere im gewerblichen Hochbau 2020 zu Auftragsrückgängen, die in den Folgejahren eine geringere Bauleistung in dieser Bausparte zur Folge hatten. Gestiegene öffentlichen Bauinvestitionen konnten den Rückgang der Bauleistung im Wirtschaftsbau nicht ausgleichen.
Ebenfalls negativ wirken sich seit 2021 Materialengpässe und damit einhergehend steigende Rohstoffpreise sowie höhere Energiekosten aus. Mit Ausbruch des Krieges in der Ukraine hat sich diese Situation weiter verschärft, da Russland und die Ukraine wichtige Rohstofflieferanten sind. Zudem führten die Anhebungen des Leitzinses durch die EZB zu einem Anstieg der Zinsen für Baukredite und damit zu höheren Baukosten.
Dadurch kommt es vermehrt zu Auftragsstornierungen und Baustopps.
Bei der Zahl der Baugenehmigungen und Auftragseingänge im Bauhauptgewerbe ist eine rückläufige Entwicklung zu beobachten. Während steigende Bauzinsen das Angebot an Immobilien begrenzen, führen erhöhte Kreditzinsen gleichzeitig zu einer geringeren Anzahl an Immobilien- und Grundstückskäufen. Da sich immer weniger Verbraucher den Kauf einer Immobilie leisten können, zeigen verschiedene Studien, dass die Immobilienpreise in einigen Regionen Deutschlands bereits sinken. Dies ist aktuell vor allem bei älteren Gebäuden zu beobachten. Die Wohnungsmieten steigen im Gegensatz dazu wieder schneller an.
Die grundsätzlich positive Entwicklung des Baugewerbes wird sich nach IBIS World Prognosen ab 2024 fortsetzen können, allerdings dürfte das Wachstum weitaus weniger dynamisch ausfallen als von 2015 bis 2020. Zum einen ist wegen der wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie und des Ukrainekriegs kurzfristig nicht mit einem sprunghaften Anstieg der industrie- und handelsseitigen Nachfrage nach Bauleistungen zu rechnen, zum anderen werden sich aufgrund der im Vergleich zum vergangenen Fünfjahreszeitraum höheren Finanzierungskosten die Zuwächse im Wohnungsbau voraussichtlich abschwächen.
Umsatzentwicklung im deutschen Baugewerbe (in Mrd. EUR)

Kurzfristig ist sogar mit einem vorübergehenden Rückgang des Bauvolumens im Wohnungsbau zu rechnen. Hingegen sollte sich die Nachfrage öffentlicher Auftraggeber aufgrund weiter ansteigender Infrastrukturinvestitionen insgesamt stabil entwickeln.
Welche Erfolgsfaktoren werden zukünftig eine besondere Rolle spielen können?
Die HANSE Researchabteilung analysierte die aktuellen Entwicklungen des Marktes im Zuge eines Projektes in der HANSE Gruppe und stellte fest:
Zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren zählten auch weiterhin folgende Kompetenzen:
Gute Projektmanagementfähigkeiten: Bauprojekte sind durch komplexe Planungsprozesse geprägt, in denen Personal-, Material- und Maschinenkapazitäten sowie diverse andere Parameter berücksichtigt werden müssen. Fehlplanungen haben oftmals negative finanzielle Auswirkungen.
Management extern vergebener Aufträge: Die Auslagerung von Bau- und Planungsleistungen an externe Anbieter birgt Risiken wie eine fehlerhafte oder nicht termingerechte Ausführung. Die gezielte Beauftragung verlässlicher Nachunternehmer trägt daher zum Unternehmenserfolg bei.
Hohe Erfolgsrate bei früheren Projekten: Referenzen sind neben dem Preis ein wichtiges Kriterium in Ausschreibungsverfahren. Indem sie die erfolgreiche Ausführung ähnlicher Aufträge in der Vergangenheit nachweisen, zeigen Unternehmen, dass sie für die Übernahme eines Projekts geeignet sind.
Gut ausgebildete Arbeitskräfte: In vielen Gewerken des Handwerks mehren sich die Anzeichen für einen Fachkräftemangel, daher bildet die Rekrutierung geeigneter Fachkräfte einen wichtigen Baustein für den zukünftigen Unternehmenserfolg.
Welche Trends werden zukünftig die Baubranche nachhaltig prägen können?
Verschiedene Branchenexperten haben folgende Themenbereiche entsprechend Ihrer Relevanz bewertet:
- Der technologische Wandel schreitet im Baugewerbe insgesamt nur langsam voran. Hintergrund dieser Entwicklung ist die starke Fragmentierung des Sektors, dessen Wertschöpfungsprozess von vielen unabhängigen Akteuren geprägt ist. Die auf Produkt- und Prozessinnovationen zurückgehenden Produktivitätsgewinne sind im Bauwesen bei Weitem nicht so stark ausgeprägt wie in der restlichen Volkswirtschaft. Insbesondere in den eher mittelständisch geprägten Bereichen des Baugewerbes stehen zudem nur beschränkte finanzielle Ressourcen für die Modernisierung der Betriebe zur Verfügung, Innovationen finden daher eher auf der Ebene der zuliefernden Baustoff- und Baumaschinenindustrie statt
- Gleichwohl erhöhte sich im Trend der letzten fünf Jahre auch im Baugewerbe die Komplexität der Prozessabläufe und die bei der Planung und Ausführung von Bauvorhaben an die Unternehmen gestellten Anforderungen stiegen, was Anreize für die Einführung geeigneter digitaler Planungs- und Koordinierungswerkzeuge und automatisierter Bauverfahren schuf
- Die Bandbreite reicht dabei von neuen technischen Möglichkeiten zur Vermessung des Baugeländes mit Drohnen und Spezialsensoren über digitale Planungs- und Dokumentationswerkzeuge wie Building-Information-Modeling-Software, mit der sich virtuelle Bauwerksmodelle erstellen lassen, bis hin zum unterstützenden Einsatz von hoch spezialisierten Baumaschinen, Baurobotern und innovativen Fertigungsverfahren wie dem 3D-Druck sowie zur Verwendung neuer oder nachhaltigerer Baumaterialien wie Recycling- oder Kohlenstofffaserbeton.
Welche Entwicklungen sehen Sie zukünftig in diesem Markt?
Mit herzlichen Grüßen
Ihre HANSE Interim-Geschäftsführung
Andreas Lau und Christian Heuermann
Quellen: HMC Researchabteilung, statista, IBIS World, Presse